Fakultät für Geistes- und Kulturwissenschaften

Sprachliche Höflichkeit in der Schule – Erfahrungsaustausch und Unterrichtsvorschläge

Didaktischer Workshop BUW 26.6.2017

Bericht

Am Montag, dem 26.6.2017, hat an der Bergischen Universität Wuppertal ein didaktischer und schulbezogener Workshop stattgefunden, bei dem ca. 30 TeilnehmerInnen aus Schule und Universität Erfahrungen im Umgang mit sprachlicher Höflichkeit in der Schule ausgetauscht und Anregungen für den Unterricht diskutiert wurden.

Zunächst vermittelte Prof. Dr. Eva Neuland einen Einblick in ein aktuelles Forschungsprojekt zur sprachlichen Höflichkeit, das sich zum Ziel setzt, mit einer Methodenkombination aus Fragebogenerhebung und Tonaufnahmen Verständnis- und Gebrauchsweisen sprachlicher Höflichkeit von Schülern und Lehrkräften auf die Spur zu kommen und höflichkeitsrelevantes Sprachverhalten in verschiedenen Situationen des Schulalltags besser verstehen zu können. Bisherigen Auswertungen nach wirken unterschiedliche Gesprächstypen, Adressatendifferenzierungen und hiermit verbundene Modalitätswechsel zwischen Ernsthaftigkeit und Spaß als wichtige Faktoren, die bei der Beurteilung von (Un)Höflichkeit im Hinblick auf Jugendliche im Schulkontext zu berücksichtigen sind.

Einen besonderen Schwerpunkt bildete die Betrachtung sprachlicher Höflichkeit in literarischen Texten, dem ein Gastvortrag von Prof. Dr. Heinz-Helmut Lüger gewidmet war. Anhand verschiedener Beispiele veranschaulichte Lüger die historische und soziale Einbettung von Ausdrucksformen von (sprachlicher) Höflichkeit. So finden sich im dramatischen Text Die Kindermörderin (1776) von Heinrich Leopold Wagner Spuren des zu jener Zeit noch facettenreicheren pronominalen Anredesystems. Dies dient v.a. dazu, Distanz und Hierarchie sprachlich zu markieren. Die heute im Standarddeutschen im Gegensatz zum Duzen/Siezen ungebräuchlich gewordenen Ihr- und Er-Formen demonstrieren die feineren Abstufungen der Hierarchie gegenüber bestimmten sozialen Gruppen und die Respektbekundung, die in den vorgestellten literarischen Dialogen eingefordert und ausgehandelt wird. Mit den Fontane-Werken Frau Jenny Treibel (1893) und Stechlin (1899) verdeutlichte Lüger beispielhaft anhand von Praktiken des Bewertens und Widersprechens, dass es sich bei Höflichkeit um einen diskursiven Bestätigungsprozess zwischen verschiedenen Sprechern bzw. zwischen Sprecher und Hörer handelt.

Dr. Petra Balsliemke und Dr. Anna Katharina Baradaranossadat zeigten in einem Kurzvortrag Anknüpfungspunkte des Themas sprachliche Höflichkeit für den Deutschunterricht auf. Ihre Analyse von höflichkeitsrelevanten Kompetenzbereichen aus den aktuellen Bildungsplänen und ausgewählten Lehrwerksbeispielen bot eine gelungene Überleitung zu dem zweiten Teil der Veranstaltung, in dem sich die rund 30 TeilnehmerInnen in Diskussionsrunden zu folgenden Themenschwerpunkten gruppierten:

· Kritische Kommunikationssituationen (Moderation: Prof. Dr. Eva Neuland)

· Umgang mit Beleidigungen und Schimpfwörtern (Moderation: Benjamin Könning/Elisa Wessels (M.A.))

· Sprachliche Höflichkeit im Literaturunterricht (Moderation: Prof. Dr. Heinz Helmut Lüger)

Einigkeit herrschte in Bezug auf die hohe Relevanz der Thematik im Fachunterricht sowie im Schulalltag: So erweist sich sprachliche Höflichkeit zum einen als ein wichtiges Unterrichtsthema, vor allem in Sprachfächern, und zum anderen als zentrale Teilkompetenz bei der Förderung kommunikativer Kompetenzen. Insbesondere „kritische“ Kommunikationssituationen, wie etwa heikle Schüler- und Elterngespräche, Unterrichtssituationen oder auch freizeitorientierte Gespräche zwischen Lehrerkräften und SchülerInnen außerhalb des Unterrichts wurden von den Workshop-Teilnehmern als Beispielsituationen genannt, die viel Höflichkeitsgeschick und Beziehungsarbeit erfordern.

Bei der Diskussion von Umsetzungsvorschlägen wurde darauf verwiesen, dass gerade die Integration authentischer Beispiele von jugendlichen Sprechstilen den SchülerInnen ein hohes Maß an Selbstreflexion ermögliche. So berichtete beispielsweise eine Lehrkraft der Realschule, die Jugendlichen seien sich teilweise nicht bewusst, welche Wirkung ihr Sprachverhalten habe. Daher sei eine Sensibilisierung der Schüler für die Komplexität sprachlichen Höflichkeitsverhaltens ein wichtiger Bestandteil sowohl des Sprachunterrichts als auch der schulischen Förderung kommunikativer Kompetenzen. Daneben erwies sich das Thema sprachliche Höflichkeit und Beziehungsarbeit aber auch relevant für die Lehreraus- und -fortbildung.

Der Tagesworkshop zur Sprachlichen Höflichkeit in der Schule – Erfahrungsaustausch und Unterrichtsvorschläge hat in gelungener Weise auf die Bedeutsamkeit und Notwendigkeit der Thematisierung sprachlicher Höflichkeit im schulischen Kontext aufmerksam gemacht. Die Verbindung authentischer Erfahrungen aus dem Schulalltag mit wissenschaftlicher Theorie und Reflexion in lebhaften Gruppendiskussionen erwies sich als zielführend und zukunftweisend.

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